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Klicken im Museum – aber gerne doch

Arnulf Ramcke

Wenn die Besucher von Kunstausstellungen Fotoapparat oder Smartphone in Stellung bringen, ist dies durchaus im Sinne der Museen.

Eine Straße in Havanna. Verfallene Hausfassaden, zwei spielende Kinder. Einer der beiden Jungen schwingt ein Holzbrett mit beiden Armen am Kopf vorbei, um den Ball zu treffen, den ihm ein auf dem Foto nicht zu sehender Mitspieler zugeworfen hat. Baseball auf kubanisch, Fotografie à la Wim Wenders. „Boy at Bat“  ist der Titel einer der Wenders-Arbeiten, die noch bis zum 16. August im Museum Kunstpalast in Düsseldorf hängen.

Versunken in die Geschichte dieses Moments,  verlangt ein multiples Klacken volle Aufmerksamkeit. Das Geräusch kommt von hinten, ist demnach nicht etwa der Aufprall des Balls auf den Schläger, mit dem die eigene Fantasie die Episode weitererzählt. Das Summen und Klicken haben Zeigefinger intoniert, die die Auslöser von Smartphones und Kameras aktiviert haben. Überhaupt schalten Besucher permanent digitale Bildfänger als Filter zwischen Wenders Originale und ihre Augen. Alles muss drauf.

Nerviger Hype oder Freude daran, Kunst mit nach Hause nehmen zu können? Marina Schuster,
Leiterin Kommunikation und PR des Museums, lässt Zahlen sprechen: „Wir hatten bisher 45.000 Besucher in der Ausstellung. Es hat fünf Beschwerden gegeben.“ Macht 0,011 Prozent. Entsprechend sieht das Düsseldorfer Museum keinen Grund, die  Knipser an der Ausübung ihres Hobbys zu hindern. Schuster: „Im Gegenteil. Es ist in unserem Sinn. Wenn die Fotos anschließend über Social Media geteilt werden, sind das für uns Multiplikatoren.“

Wim Wenders hat die Verbreitung seiner Fotos auf Twitter, Facebook & Co. abgenickt. „Das ist natürlich die Voraussetzung“, sagt  Schuster. „Der Künstler muss zustimmen, dass fotografiert werden darf.“ Kann der Urheber der Kunstwerke nicht mehr gefragt werden, sind es die Leihgeber – also meist die Eigentümer -, deren wohlwollende Haltung abgefragt werden muss. Da gibt’s dann auch durchaus ein „Nein“ als Antwort – wie für die im Oktober beginnende Werkschau „Evelyn Hofer. Hommage à Zurbarán“. Fotoverbot.

Gedanken, dass der individuell erstellte Ausstellungskatalog auf Kamera und Smartphone den Erwerb des gedruckten Exemplars im Museumsshop kannibalisiert, bestätigt Schuster nicht: „Der Katalog läuft sehr gut.“ Überhaupt steht die Museums-Sprecherin dem Teilen von bebilderten Nachrichten über Social Media höchst aufgeschlossen gegenüber. Auf diese Weise, so die Theorie von Hoffnung, „werden junge Menschen animiert, nicht nur ins Kino, sondern mal ins Museum zu gehen“.

Auch wenn in den Niederlanden spontane Picknicks längst keinem Museumswärter den Blutdruck hochtreiben, werden Digital Natives beim Besuch zumindest der Düsseldorfer Kunsthallen auf Chips mit Dip und andere Begleiter cineastischer Sozialisation verzichten müssen. Für Paprikaschmiere auf Kunst  zahlt keine Versicherung.

Foto:  Fotolia.com

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