Deutschlands Sprint-As Marcel Kittel ist immer noch sauer, dass ihn sein Team für die Rundfahrt nicht nominiert hat.
Gleich vier Bewährungshelfer hat der Radsport in Deutschland nach den pharmazeutischen Trainingseinheiten der Vergangenheit eines Jan Ulrich und Lance Armstrong, die nur die Spitze einer internationalen Spritzen-Bewegung bildeten. Marcel Kittel, John Degenkolb, Tony Martin und André Greipel wollen ihrem Sport mit rückstandsfreiem Urin und dem Schwur vom Verzicht auf verbotene Sustanzen die Resozialisierung ebnen.
Für die neue Sauberkeit hat das Quartett in den vergangenen Monaten derart eloquent und überzeugend geworben, dass mit der ARD sogar die öffentlich-rechtlichen Moralhüter wider Doping im Radsport – und nur im Radsport – zu überzeugen waren, die Aufbruchstimmung mit zartem Sendezeitenbudget für die Tour de France , die am Samstag in Utrecht begonnen hat, dem Zuschauer gnädig zur Kenntnis gelangen zu lassen. Eine medial schlaue Wahl: Da die Tour de France heute mit einem Einzelzeitfahren beginnt, könnte sich der Spezialist für diese Schinderei, Tony Martin, als Träger des gelben Trikots feiern lassen.
Alles schien aus deutscher Sicht bereitet für verdienstvolle 3350 Rennkilometer, verteilt auf 21 Etappen bei der 102. „Grand Boucle“ – große Schleife – wie die Franzosen das bedeutenste Radrennen der Welt nennen. Nicht planbar war jedoch die Entscheidung der sportlichen Leitung vom Team Giant-Alpecin, Sprintstar Marcel Kittel für die Tour mit einem Fahrverbot zu belegen. Nach einer mehrwöchigen Viruserkrankung zu Beginn des Jahres sei das blond-blauäugige Kraftpaket mit Vermarktungsfaktor XXL nicht in Bestform, lautet die Begründung. Im Vorjahr gewann Kittel vier Tour-Etappen – inklusive des Schlussspurts auf der Champs-Élysées. Ein Sieg, der ähnlich viel zählt wie der Gewinn der Weltmeisterschaft.
„Ich bin sehr enttäuscht, weil ich in den letzten Wochen alles erdenklich Mögliche gegeben habe, um wieder richtig fit zu werden“, schreibt Kittel auf seiner Homepage. Und weiter: „Dass ich nicht starten darf, finde ich besonders schade, weil in diesem Jahr die ARD wieder von der Tour berichtet. Ich habe lange dafür gekämpft, mich dafür eingesetzt, dass die deutschen Kameras wieder auf uns gerichtet sind.“
Der Co-Sponsor von Kittels Team, die zur Bielefelder Wolff-Gruppe gehörende Expertenrunde gegen Haarausfall bei Männern, Alpecin, reagiert auf den PR-Ausfall offiziell gelassen: „Die Entscheidung des Teams, Marcel Kittel nicht für die Tour zu nominieren, überlassen wir als Sponsor allein der sportlichen Leitung“, so Alpecin-Sprecherin Hanna Irabi auf Nachfrage. Das Unternehmen wünsche einem Kittel in gewohnter Stärke, noch viele Siege einzufahren. Für Alpecin, versteht sich. Sollte Kittel allerdings aus Ärger über die Nichtnominierung das Team wechseln, bleibt für Bielefeld nur das große Haareraufen.
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