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Wuppertal für Düsseldorfer

Wohnen mit (Jugend)stil: Das Briller Viertel im Wuppertaler Stadtteil Elberfeld.

Ein Ökonom schlägt vor, mangelnden Wohnraum in Düsseldorf mit Leerständen in Wuppertal zu kompensieren. Klingt gut, vergisst jedoch den Imagefaktor.

„Düsseldorfer sollen in Wuppertal wohnen“. Diesen  Satz sprachen weder Dieter Nuhr noch andere Hüter närrischen Gedankentums. Und es ist auch nicht die neue Judikative eines kreativen Richters, mit der überhebliche Düsseldorfer, die sich mal wieder über „die von der Wupper“ lustig gemacht haben, Demut lernen sollen. Nein, mit „Düsseldorfer sollen in Wuppertal leben“ titelt die Rheinische Post einen Beitrag über immobile Synergien zwischen beiden Städten. Die darin aufgegriffene Grundidee eines Ökonomen des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln lautet komprimiert wie folgt: In Düsseldorf gibt’s zu wenig Wohnungen, in Wuppertal gähnen Leerstände.

Wuppertals Einwohnerzahl schrumpft nach Prognosen der Bertelsmann Stiftung in den kommenden zehn Jahren von aktuell 340.000 Einwohnern auf 332.000, Düsseldorf wächst demnach von jetzt 605.000 auf 615.000 im Jahr 2020. Was liegt da also näher, Düsseldorfern den Umzug ins nur rund 30 Kilometer entfernte Wuppertal schmackhaft zu machen? Auf der rationalen Ebene wenig: In Wuppertal beträgt die Kaltmiete für eine 100 Quadratmeter große Wohnung im Schnitt sechs Euro/Quadratmeter Euro, in der Landeshauptstadt mehr als elf Euro/Quadratmeter. Beim Immobilienerwerb fällt das Einsparpotenzial ähnlich hoch aus. Sogar das Wohnen in Wuppertals Briller Viertel (Foto) mit (Jugend)Stil ist vergleichsweise erschwinglich.

Trotzdem wird sich auf der A 46 in den kommenden Monaten kein Stau aus Umzugswagen bilden, mit denen Düsseldorfer ihre Möbel in Bergische transportieren lassen. Ein Wechsel an die Wupper ist für viele Düsseldorfer gleichbedeutend mit dem Abstieg in die soziale Vorhölle. Unattraktiv, ärmlich, ungepflegt, zu viele Ausländer – einige der gängigen Klischees, mit denen Auswärtige ihre psychische Ablehnung eines längeren Aufenthalts in Wuppertal stabilisieren.

Diese Kraft des Vermeintlichen mit Argumenten zu schwächen, geht ansatzweise so: Düsseldorfer flanieren auf der Rheinuferpromenade, Wuppertaler genießen ihre Freizeit auf der Nordbahntrasse. Der Wuppertaler muss nicht in die Stadt mit dem höchsten Grünanteil in Deutschland fahren – er wohnt bereits dort. Quartiere wie das Luisenviertel im Stadtteil Elberfeld müssen sich hinter Oberkassel nicht verstecken, und wer vermeintliche Einkaufserlebnisse nicht mit Kö übersetzt, kann hemmungslos in Wuppertals Einzelhandelsangebote investieren.

„Mag alles stimmen“, sagen Düsseldorfer. „Nach Wuppertal ziehen wir trotzdem nicht.“ Nicht heute, aber möglicherweise übermorgen, falls es Verwaltung, Vereinen und Initiativen weiterhin gelingt, das Image von Wuppertal durch Fakten und flankierende Kampagnen zu polieren. Düsseldorfern ist kein Strick daraus zu drehen, dass sie Veränderungen erleben und nicht von Absichten hören wollen. Auch wenn’s den Wuppertaler, der seine Stadt liebt, schmerzt.

Aber wie müssen da erst Menschen in Duisburg leiden: Der Ruf der Ruhrgebietsstadt ist der vom ewigen Fegefeuer – der Antagonismus zu Düsseldorf. Der Ausbau des Innenhafens zu einer exquisiten Ausgeh-Adresse geht im Negativ-Sog der Strukturprobleme ebenso unter wie der Neubau des Millionenprojekts Stadtfenster im Zentrum, in das die städtische Bibliothek gemeinsam mit der VHS eingezogen ist. Aber vermutlich wollen Wuppertaler trotzdem nicht nach Duisburg ziehen.

Foto: Arnulf Ramcke

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